Claudia Kleinert

Internationaler Tag der Heilpädagogik 2018: Interview mit Claudia Kleinert

Interviewfragen an Claudia Kleinert anlässlich des Internationalen Tages der Heilpädagogik am 13. April 2018

Frau Kleinert, seit Anfang 2008 engagieren Sie sich als Botschafterin der Lebenshilfe NRW. In diesem Amt treten Sie für die Belange von Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung ein und haben dafür auch bereits den Medienpreis der Bundesvereinigung Lebenshilfe, den Bobby, verliehen bekommen. Wie sind Sie zu diesem ehrenamtlichen Engagement mit einem Fokus auf die Rechte und Belange von Menschen mit Behinderungen gekommen?

Der damalige Geschäftsführer der Lebenshilfe, Hans Jürgen Wagner, sprach mich auf einer Veranstaltung an, ob ich mir eine Rolle als Botschafterin vorstellen könne. Da ich damals schon für die Rechte von Menschen mit Behinderungen eintrat, habe ich spontan „Ja“ gesagt. Zumal Hans Jürgen Wagner extrem mitreißend für die Lebenshilfe sprach und mich schnell überzeugte, als Botschafterin etwas bewirken zu können.

Welche Aufgaben übernehmen Sie als Botschafterin der Lebenshilfe konkret? Was ist Ihre Kernbotschaft?

Es gibt keine konkreten Aufgaben. Ich versuche, so oft es geht, auf die Belange, Wünsche und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung aufmerksam zu machen. Darauf hinzuweisen, wie wichtig Inklusion und das „sich miteinander beschäftigen und auseinander zu setzen“ ist. In meinen Augen gibt es Behinderung vor allem dadurch, dass Menschen mit unterschiedlichen Herausforderungen durch Regeln, Gesetze, Vorurteile und auf Grund von Unwissenheit oder Angst im Umgang miteinander behindert werden. So versuche ich als Botschafterin auf Veranstaltungen, in der Presse, in Interviews oder in Gesprächen auf Missstände oder Missverständnisse aufmerksam zu machen.

Die aktuelle politische Debatte über die Belange von Menschen mit Behinderungen ist stark geprägt durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG). Wie schätzen Sie die wesentlichen Neuerungen des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen ein?

Dazu könnte ich jetzt wahrscheinlich 3 Seiten füllen. Es ist schon einiges erreicht aber es ist meiner Meinung nach noch ein weiter Weg bis wir bei einer wirklichen Teilhabe, bei Inklusion in allen Belangen und den dazu rechtlichen Grundlagen angekommen sind. Allein zum Thema Mindestlohn oder das Inklusion nichts mit „Gleich machen“ oder „alle einfach gleich behandeln“ zu tun hat sondern weit darüber hinausgeht könnte ich Seiten füllen.

Als Botschafterin der Lebenshilfe engagieren Sie sich für die Teilhabe von Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung und ihrer Familien in unserer Gesellschaft. Erwerbstätigkeit, Teilhabe, Mobilität und Wohnen sind ebenso entscheidende Faktoren auf dem Weg in eine inklusive Gesellschaft wie die gesellschaftliche Einstellung und Bereitschaft dazu. Wie können gesellschaftliche Haltungen zur Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen wirksam verändert werden?

Indem man sich mit Herausforderungen und Problemen, die sich Menschen mit Behinderungen tagtäglich ausgesetzt sehen, auseinander setzt. Wer über solche Faktoren entscheidet, muss meiner Meinung nach mit besonders herausgeforderten Menschen sprechen, ihren Alltag begleiten, sie fragen, wo es hakt und was sie sich wünschen. Nur wenn man Alltag mit begleitet kann man Probleme und alltägliche Behinderungen dieser Menschen wirklich beurteilen. Gesellschaftliche Haltung kann sich nur ändern wenn wir uns miteinander beschäftigen, einander zuhören und miteinander leben.

Anlass dieses Interviews ist der Internationale Tag der Heilpädagogik, der am 13. April dieses Jahres zum zweiten Mal begangen wird. Ist Ihnen die Profession bekannt und was verbinden Sie mit dem Begriff Heilpädagogik?

Bisher habe ich über diesen Begriff, den ich natürlich kenne noch nie wirklich nachgedacht. Das war bisher für mich verbunden mit der Erziehung und Förderung von Kindern, die auf irgendeine Weise besonders herausgefordert sind. Was nicht unbedingt mit Menschen mit Behinderung zu tun haben muss.

Die Heilpädagogik ist überall dort gefragt, wo Menschen jedes Alters aufgrund von sozialem Ausschluss, Beeinträchtigung oder (drohender) Behinderung vor Entwicklungs- und Teilhabebarrieren stehen. Welche Rolle nehmen soziale Berufe wie die Heilpädagogik in Ihrer Wahrnehmung bei dem Abbau gesellschaftlicher Barrieren ein? Was müsste sich aus Ihrer Sicht in den sozialen Berufen gegebenenfalls ändern, um den Abbau von sozialen oder gesellschaftlichen Barrieren zu beschleunigen?

Ich bin der Meinung, dass diesen Berufen eine ganz wichtige Aufgabe zukommt wenn es um den Abbau von gesellschaftlichen Barrieren geht. Denn Barrieren entstehen und halten sich vor allem im Kopf und basieren ganz oft auf Unwissenheit. Aufmerksam machen auf Probleme, auf Barrieren, auf Vorurteile oder vorschnelle Urteile ohne zu wissen, worum es eigentlich genau geht fördert und ermöglicht Ungerechtigkeit. Und Unverständnis. Oder sogar Angst vor dem Umgang miteinander. Die meisten Menschen wissen gar nicht mehr, was Empathie heißt. Um mich in Jemanden hinein versetzen zu können, muss ich aber doch erst einmal wissen, mit welchen Schwierigkeiten oder Herausforderungen mein Gegenüber tagtäglich konfrontiert ist. Das Verständnis für Menschen mit Handicap kann also vor allem durch Menschen mit Erfahrungen geweckt werden. Und das können vor allem diejenigen weitertragen, die sich in sozialen Berufen mit diesen Herausforderungen auseinander setzen.

Wagen wir einen Blick zwanzig Jahre in die Zukunft: Wie kann ein inklusives gesellschaftliches Zusammenleben einer heterogenen Bevölkerung zwischen Menschen mit unterschiedlichsten sozialen oder auch körperlichen Voraussetzungen gelingen?

Durch Interesse füreinander und Verständnis. Durch das Wissen, wie man miteinander am besten umgeht, nämlich mit Respekt und Rücksicht und wie einfach es eigentlich ist, miteinander zu leben. Wenn man sich offen und neugierig auf das Verbindende und Trennende oder auf das Gemeinsame und Unterschiedliche einlässt und sich damit auseinander setzt.

 

 

 


Internationaler Tag der Heilpädagogik

13. April: Internationaler Tag der Heilpädagogik

Bereits zum zweiten Mal begehen die Mitgliedsverbände der Internationalen Gesellschaft heilpädagogischer Berufs- und Fachverbände (IGhB) den Internationalen Tag der Heilpädagogik und bringen damit ihr gemeinsames Anliegen zum Ausdruck, die Bekanntheit und Akzeptanz der Heilpädagogik als Disziplin und Profession zu stärken!

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Informationen für BHP Mitglieder: Themendienst Heilpädagogik erschienen

BHP Mitglieder finden in diesen Tagen die erste Ausgabe des Themendienst Heilpädagogik in diesem Jahr in ihrem E-Mail-Postfach. Der Themendienst Heilpädagogik ist ein exklusiver Newsletter-Service für BHP Mitglieder, mit dem der Verband über fachliche, politische und berufsrelevante Themen der Heilpädagogik informiert.

Jeweils im März, Juni, September und Dezember des Jahres erhalten Mitglieder des BHP zusammengestellte Informationen zu aktuellen berufs- und sozialpolitischen sowie arbeitsrechtlichen Inhalten. Außerdem informieren wir über die berufsverbandliche Arbeit, Veranstaltungen der Fort- und Weiterbildung und Neuerscheinungen aus dem BHP Verlag.

Im aktuellen Themendienst lesen Sie u. a.:

  • Aktuelle Informationen aus der AG Bundesteilhabegesetz des BHP
  • Versorgungsplanung der letzten Lebensphase: jetzt auch in Einrichtungen der Eingliederungshilfe
  • Koalitionsvertrag: Weiterentwicklung des SGB VIII / Kinderrechte
  • Gerichtsentscheidung: Ambulante Frühförderleistungen für Kinder, die Integrationsleistungen in Kitas erhalten
  • Gespräch zur Zukunft der Fachschulen / Fachakademien Heilpädagogik
  • Inklusives Wahrecht in Koalitionsvertrag verankert
  • u. v. m.

Sie sind BHP Mitglied und haben den Themendienst Heilpädagogik noch nicht erhalten? Ein Blick in den Spam-Ordner Ihres E-Mail-Postfaches könnte sich lohnen. Falls Sie dort nichts finden, wenden Sie sich gerne an die Bundesgeschäftsstelle in Berlin.

presse@bhponline.de


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Versorgungsplanung der letzten Lebensphase: jetzt auch in Einrichtungen der Eingliederungshilfe

Auf der Grundlage der neuen Vereinbarung nach § 132g Abs. 3 SGB V über „Inhalte und Anforderungen der gesundheitlichen Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase“ zwischen dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen und verschiedenen Fach- und Wohlfahrtsverbänden ist es von nun an möglich, dass auch Heilpädagoginnen und Heilpädagogen Beratungs- und Vernetzungsleistungen für Menschen mit Beeinträchtigungen und (drohenden) Behinderungen in der letzten Lebensphase erbringen.

Gemäß § 2 der Vereinbarung ist es das Ziel dieses Angebotes im Rahmen der gesundheitlichen Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase den Leistungsberechtigten bezogen auf ihre individuelle Situation zu ermöglichen, Vorstellungen über medizinisch-pflegerische Abläufe, das Ausmaß, die Intensität, Möglichkeiten und Grenzen medizinischer Interventionen sowie palliativ-medizinischer und palliativ-pflegerischer Maßnahmen in der letzten Lebensphase zu entwickeln und mitzuteilen.

Nachdem die Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase in Pflegeeinrichtungen bereits seit längerer Zeit erbracht werden können, besteht nun erstmals die Möglichkeit, auf der Grundlage der Vereinbarung solche Leistungen auch im Rahmen von stationären oder teilstationären Eingliederungshilfeleistungen zu erbringen.

Gemäß § 12 Absatz 4 der Vereinbarung gehören Heilpädagoginnen und Heilpädagogen zu den Berufsgruppen, die diese Leistungen ausführen dürfen. Voraussetzung ist zudem eine 60-Einheiten umfassende Weiterbildung und die Durchführung von mindestens 7 Beratungsprozessen unter Anleitung innerhalb eines Jahres.

Leistungen der Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase werden durch die gesetzlichen Krankenkassen vergütet.

Die gesamte Vereinbarung finden Sie auf der Website des GKV-Spitzenverbandes:

GKV-Spitzenverband zur gesundheitlichen Vorsorgeplanung in der letzten Lebensphase


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Anknüpfungspunkte Inklusion: Vortrag und Seminar in Karlsruhe

Am 1. und 2. März findet in Karlsruhe ein Vortrag mit Seminar zum Thema "Anknüpfungspunkte Inklusion" der Landesarbeits-gemeinschaft Baden-Württemberg Gemeinsam leben – gemeinsam lernen e.V. statt.

Prof. Dr. Andreas Hinz, Allgemeine Rehabilitations- und Integrationspädagogik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, und Ines Boban, wissenschaftliche Mitarbeiterin, loten Anknüpfungspunkte aus und geben Impulse für die Klärung der Idee inklusiver Bildung und konkrete Schritte in ihre Richtung.

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www.lag-bw.de


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Aus der BHP Arbeitsgruppe zum Bundesteilhabegesetz: Neuerungen ab Januar 2018

Neuerungen durch das Bundesteilhabegesetz ab 01.01.2018

Neue Regeln für die Teilhabe-, Hilfe- und Gesamtplanung, Persönliche Lebensplanung als fachliche Assistenzleistung, Fragen und Einschätzungen zur Rolle der Heilpädagogik bei Planungsprozessen im neuen SGB IX

Im Mai 2017 nahm die BHP Arbeitsgruppe zum Bundesteilhabegesetz (BTHG) ihre Arbeit auf. Seitdem trifft sich die Arbeitsgruppe regelmäßig in der BHP Bundesgeschäftsstelle und begleitet den Prozess der Umsetzung des BTHG voraussichtlich bis Ende des Jahres 2018.

Im ersten Positionspapier der Arbeitsgruppe fassen Frau Birte Johannsen und Herr Dr. Stefan Doose die wichtigsten Neuerungen zu den Themen "Neue Regeln für die Teilhabe-, Hilfe- und Gesamtplanung", "Persönliche Lebensplanung als fachliche Assistenzleistung" sowie "Fragen und Einschätzungen zur Rolle der Heilpädagogik bei Planungsprozessen im neuen SGB IX" zusammen.

Lesen Sie hier das Positionspapier der BHP Arbeitsgruppe zum BTHG: [wpfilebase tag=file id=1044 tpl=download-button /]


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Tagung zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses

Im Oktober 2018 veranstaltet die Europäische Akademie für Heilpädagogik (EAH) im BHP e. V. erstmalig eine Tagung zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Heilpädagogik. Die Tagung wurde in Zusammenarbeit mit dem Studiengang Heilpädagogik der Evangelischen Hochschule Darmstadt (EH Darmstadt) konzipiert und findet am 13. Oktober in Darmstadt statt.

Die Tagung setzt sich aus Vorträgen, Praxiskolloquien und Fachgesprächen zusammen und richtet sich an Studierende und Absolventen der Heilpädagogik, die eine Promotion beziehungsweise eine wissenschaftliche Laufbahn in Erwägung ziehen. Mit der Tagung möchte der BHP potenzielle Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler dazu motivieren, sich im wissenschaftlichen Feld der Heilpädagogik denkend, forschend und handelnd zu bewegen.

Ausführliche Informationen zur Tagung sowie eine Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie hier.

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Informationen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vor Jahresbeginn

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales veröffentlicht regelmäßig vor Jahresbeginn eine Übersicht über die wesentlichen Änderungen und Neuregelungen, die zu Beginn des kommenden Jahres im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wirksam werden.

Der Überblick zum 1. Januar bzw. zum Jahresbeginn 2018 enthält unter anderem Informationen zu den Themen Belange behinderter Menschen und zum Bundesteilhabegesetz (BTHG).

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51. BHP Bundesfachtagung: „Couragiert und professionell für Teilhabe und Entwicklung“

Mehr als 630 Teilnehmerinnen und Teilnehmer besuchten vom 24. – 26. November 2017 die 51. Bundesfachtagung des BHP in der Berliner Urania. Unter dem Titel „Couragiert und professionell für Teilhabe und Entwicklung – HEILPÄDAGOGIK als politischer Auftrag“ bot sich den Teilnehmenden auch in diesem Jahr ein vielfältiges Veranstaltungsprogramm mit zahlreichen Vorträgen, Podiumsdiskussionen und einem abwechslungsreichen Begleitprogramm. Erstmals fand das „MesseForum Heilpädagogik“ statt, auf dem 40 Aussteller ihr Angebot zeigten.

Das Fachliche ist politisch! Unter diesem Leitsatz diskutierten Heilpädagoginnen und Heilpädagogen auf der diesjährigen Bundesfachtagung des BHP die politische Dimension der Heilpädagogik und den politischen Auftrag von Heilpädagoginnen und Heilpädagogen. Der BHP hatte zur 51. Bundesfachtagung, wie auch in den vergangenen sechs Jahren, in die Berliner Urania eingeladen und ein abwechslungsreiches fachliches Programm vorbereitet. In neun Vorträgen und zwei Podiumsdiskussionen wurden aktuelle sozialpolitische und fachliche Themen verhandelt – von den Chancen und Herausforderungen einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe über die künftige Qualität der heilpädagogischen Fachleistung im Kontext des Bundesteilhabegesetzes bis zu den Gelingensbedingungen und Herausforderungen schulischer Inklusion u.v.m. (Lesen Sie hier das komplette Veranstaltungsprogramm der 51. BFT).

Vielfältiges Begleitprogramm für Sportliche und Filmbegeisterte

Zur Auflockerung zwischen den anspruchsvollen fachlichen Angeboten konnten sich die Besucherinnen und Besucher im Powerdance versuchen. Einen eindrucksvollen artistischen Auftakt bot bereits der Eingangsact des Künstlers Dergin Tokmak (a.k.a STiX), der das Publikum mit seiner akrobatischen Vorstellung begeisterte. Für alle Filmliebhaber bot die Bundesfachtagung gleich in verschiedener Hinsicht Abwechslung. Auf die zwei Dokumentarfilme – „Jean Ziegler – Der Optimismus des Willens“ und „Nicht ohne uns!“ – folgte die Prämierung des Filmprojektes Heilpädagogik in Motion, bei dem eine Ausbildungsklasse des Europäischen Bildungswerkes für Beruf und Gesellschaft (EGB) Halle in der Zuschauerabstimmung den ersten Preis gewann.

Seit sieben Jahren in Berlin – erstmals mit MesseForum Heilpädagogik

Besonders gute Resonanz erhielt auch das MesseForum Heilpädagogik, das der BHP in diesem Jahr erstmalig ausrichtete. Vielfältige Aussteller aus dem sozialen Bereich – vom AWO Büro Leichte Sprache bis zum Zentrum für heilpädagogische Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Saarbrücken – präsentierten ihre Arbeit einem interessierten Publikum. Besonders begeistert waren die Besucherinnen und Besucher von den parallel angebotenen Vorträgen. In neunzehn Kurzvorträgen, für die je zwanzig Minuten zur Verfügung standen, präsentierten heilpädagogische und soziale Anbieter innovative Projekte, gelungene Praxisbeispiele zum Thema Inklusion und Teilhabe, Materialien und vieles mehr.

Auch im kommenden Jahr lädt der BHP zum Austausch und zur Vernetzung von Heilpädagoginnen und Heilpädagoge ein. Die 52. Bundesfachtagung widmet sich dem Thema „Zulassen und Widerstehen. Heilpädagogisch Handeln durch Dialog – Bindung – Beziehung“ und wird vom 23. – 25.11.2018 in Berlin stattfinden.

Eine ausführliche Bildergalerie sowie das Programm der 51. Bundesfachtagung mit allen Referentinnen und Referenten findet sich auf der Seite: hier

Den Tagungsbericht zur 51. Bundesfachtagung können Sie ab sofort per E-Mail an info@bhpverlag.de vorbestellen.


Irmela Mensah-Schramm und Heinrich Greving auf der Bühne der 51. Bundesfachtagung des BHP in Berlin

Erster Ehrenpreis der Heilpädagogik geht an Irmela Mensah-Schramm

Auf der diesjährigen Bundesfachtagung des Berufs- und Fachverbands für Heilpädagogik (BHP) e. V. wurde erstmalig der Ehrenpreis der Heilpädagogik vergeben. Die Auszeichnung erhielt Irmela Mensah-Schramm für ihren engagierten Einsatz und ihr couragiertes und zivilgesellschaftliches Handeln gegen fremdenfeindliche Polemik und Hassbotschaften in der Öffentlichkeit. Seit 1986 entfernt die Friedensaktivistin rassistische und antisemitische Aufkleber und Graffiti in ganz Deutschland.

Vor einem bewegten Publikum im Humboldtsaal der Urania in Berlin würdigte Heinrich Greving, Professor für Heilpädagogik an der Katholischen Hochschule Münster, die Arbeit der in den Medien als "Politputze" bekannten Irmela Mensah-Schramm. Mit ihrer Arbeit verdeutliche Mensah-Schramm, so Greving in seiner Rede, dass Widerstand gegen menschenfeindliches Denken und Handeln nicht nur möglich, sondern politisch und pädagogisch geboten erscheine:

Prof. Dr. Heinrich Greving hält die Laudatio für Irmela Mensah-Schramm

"Was Sie in den letzten Jahrzehnten geleistet haben ist aktuell, ist heute wichtiger denn je, denn Sie geben damit ein konsequentes und beredtes Zeugnis und Zeichen, dass ein engagierter Bürger, eine engagierte Bürgerin unserer Zivilgesellschaft ihr Engagement nicht nur darin erschöpft sehen darf, alle vier Jahre die eigene Stimme in einer Urne zu beerdigen. Vielmehr ist ein tägliches Aufbegehren gegen Ignoranz und Menschenfeindlichkeit, gegen Fremdenhass, Rassismus und Antisemitismus, für eine konsequente Beachtung und Realisation der Menschenwürde, der Menschenrechte und des gemeinsamen Dialogs aller in der Gesellschaft nicht nur notwendig, sondern eine grundsätzliche bürgerliche Verpflichtung", verdeutlichte Greving in seiner Laudatio den Einfluss Mensah-Schramms, die mit ihrer Arbeit seit Jahrzehnten das gesellschaftliche Bewusstsein für Hassbotschaften im öffentlichen Raum schärft.

Standing Ovations für Irmela Mensah-Schramm auf der 51. Bundesfachtagung

Unter großem Beifall nahm Irmela Mensah-Schramm den Ehrenpreis für Heilpädagogik des BHP - eine silberne Anstecknadel mit der Gravur "Für die Heilpädagogik" - entgegen. Der Ehrenpreis der Heilpädagogik wurde in diesem Jahr erstmals während der 51. Bundesfachtagung des BHP verliehen und soll zukünftig jedes zweite Jahr an Menschen vergeben werden, die sich für die Heilpädagogik verdient gemacht haben. Noch bis zum 20. Dezember ist Irmela Mensah-Schramms Ausstellung "Hass vernichtet!" im Tesla-Foyer der Berliner Urania zu sehen. Weitere Informationen zur Arbeit von Irmela Mensah-Schramm finden Sie unter www.schluss-mit-hass.de .

Eine Rückschau der 51. Bundesfachtagung mit Bildergalerie steht hier zur Verfügung: diesjährigen Bundesfachtagung


Lesen Sie im Folgenden die ungekürzte Laudatio von Prof. Dr. Heinrich Greving:
Laudatio zur Verleihung des „Ehrenpreises Heilpädagogik des BHP e.V.“ an Irmela Mensah-Schramm

Sehr geehrte Frau Mensah-Schramm, sehr geehrte Damen und Herren,

als ich die Anfrage bekam zur Verleihung des ersten „Ehrenpreises Heilpädagogik des BHP“ an Sie eine Laudatio zu halten, habe ich mich (zuerst) sehr gefreut – und zwar darüber, dass der Berufsverband hiermit eine Ehrung vornimmt, welche eine deutliche politische Botschaft enthält. Mehr noch: mit der Ehrung Ihrer Lebensleistung, liebe Frau Mensah-Schramm, verbindet der Verband eine ausdrückliche Botschaft in das heilpädagogische Feld und weit darüber hinaus. – Aber dazu später mehr.

Als ich mich dann mit Ihrem Leben beschäftigt habe bemerkte ich schnell, dass es überhaupt nicht möglich dieses, Ihr Leben, Ihr Engagement in den hierfür zur Verfügung stehenden knapp fünfzehn Minuten gebührend zu würdigen und in den Kontext unserer aktuellen politischen (und auch berufspolitischen) Situation zu stellen. – Gleichwohl will ich dieses nun versuchen.

„Mein Vater war Schauspieler und meine Mutter Kinderkrankenschwester.“ – So beginnen Sie, liebe Frau Mensah-Schramm, eine kurze Information zu Ihrer Person. Schon hierdurch wird, wie ich finde, ihr Bestreben deutlich eine Brücke zwischen der Kunst und der sozialen Tätigkeit zu spannen. – Und was Sie, als Heilpädagogin und als politische Aktivistin, in den letzten Jahrzehnten geleistet haben ist auch – wie ich finde – künstlerisch bedeutsam.

Wie wird man zu einem solchen, umfassend engagierten, weitläufig interessierten Menschen? – An dieser Stelle möchte ich kurz auf die wichtigsten Punkte Ihrer Biografie eingehen. Sie lebten bis in die sechziger Jahre in Baden Württemberg und verbrachten dort auch Ihre Schul- und Ausbildungsjahre, sowie die ersten Berufsjahre in einem Pflegeberuf. Im Jahr 1969 zogen Sie nach Berlin (damals noch West-Berlin) wo Sie Ihre Ausbildung zur Erzieherin absolvierten und daran anschließend eine heilpädagogische (damals noch: Zusatz-)Ausbildung anschlossen.

Ihnen war, wie Sie schreiben, wichtig, „gerade Kinder und Jugendliche der ‚Randgesellschaft‘ zu fördern und… zu stärken. Schnell wurde mir bewusst, dass der erlernte Lehrstoff für diesen Beruf, nicht dass einzig richtige ‚Werkzeug‘ war, denn viel Eigeninitiative, und besonders viel Einfühlungsvermögen waren gefordert.“ – Sie waren dann von 1969-2006 als Erzieherin und Heilpädagogin, auch als sog. heilpädagogische Lehrkraft, tätig. Sie waren aber nie die „klassische“ Pädagogin (wenn es eine solche denn überhaupt gibt): Sie haben sich schon früh politisch engagiert und sich der Anti-Atomkraft-Bewegung und der Friedensbewegung angeschlossen. Ab 1975 arbeiteten Sie ehrenamtlich bei der Flüchtlingsberatung für Amnesty International. Zudem waren sie einige Jahre Mitglied der „Alternativen Liste“, und später bei den Grünen politisch tätig.

1986 begannen Sie mit Ihren Aktionen gegen die Hass- und Nazipropaganda im öffentlichen Raum. Was Sie dazu motivierte, wie sich diese „Erweckungssituation“ gestaltete, würde ich gern in Ihren eigenen Worten darstellen:
„Nach meinem Umzug 1986 innerhalb Berlin/West nach Wannsee wurde ich dort bald frühmorgens auf dem Weg zur Arbeit an der Bushaltestelle vor dem Haus mit dem Fund des ersten Naziaufkleber konfrontiert und war zuerst untätig. Dies dauerte nicht lange: noch am selben Tag, als ich es nachholen wollte, stellte ich zugleich fest: Es ist mir niemand zuvor gekommen... Das dies nicht der einzige Nazisticker war, stellte ich bald fest und schaffte mir eine Ausrüstung an: Schaber, Nagellackentferner und Farbe.“

Seit diesem Tag, im Spätsommer 1986, sind Sie nahezu ständig in allen Bundesländern unterwegs und machen deutlich, dass Widerstand gegen dieses menschenfeindliche Denken und Handeln möglich und umsetzbar ist. Ja: das dieser Widerstand als politisch und pädagogisch geboten erscheint! Sie haben bis heute auf diese kreative und pointierte Art und Weise zigtausende Aufkleber entfernt. Ihr Archiv enthält weit über 16000 Bilddokumente hierzu.

Dieser couragierte Einsatz für zivilgesellschaftliches Handeln wurde von dieser Gesellschaft, vor allem von den Staatsorganen, nicht immer positiv konnotiert. Im Gegenteil: Während Ihrer Tätigkeiten waren und sind Sie sehr häufig Anfeindungen ausgesetzt und mögliche Beobachter (Zeugen, Polizisten…) reagierten mit Unverständnis auf das, was Sie machten. Es kam somit dazu, dass mehrere Strafverfahren gegen Sie eröffnet und – gottseidank – wieder eingestellt wurden. Zudem mussten (und müssen) Sie mit Gewaltandrohungen und Morddrohungen leben. Dennoch haben Sie sich nie von Ihren Zielen abbringen, sich nie im letzten irritieren lassen, denn Menschenwürde hat bei Ihrem Tun für Sie die oberste Priorität. Diese, die uneingeschränkte Menschenwürde, gilt es zu erhalten, so dass die Beschädigung einer Glasscheibe, eine Firmenschildes, eines Plakates von Ihnen hierfür in Kauf genommen wird – ja, wie ich finde, in Kauf genommen werden muss.

Da Sie, liebe Frau Mensah-Schramm, wie Sie sagen „…die Gleichgültigkeit meiner Mitmenschen nicht mehr ertragen konnte“ konzipierten Sie die Ausstellung „Hass vernichtet“, welche Sie seit 2010 als Wanderausstellung begleiten. Zudem bildete ihre Sammlung der entfernten und neugestalteten Aufkleber einen zentralen Teil der Ausstellung „Angezettelt. Antisemitische und rassistische Aufkleber von 1880 bis heute“, die 2016 im Deutschen Historischen Museum in Berlin gezeigt wurde. Bis 2016 haben Sie über 450 Ausstellungen und über 100 Workshop-Projekte hierzu realisiert.

Alle diese Tätigkeiten führen Sie ohne staatliche und sonstige finanzielle Unterstützung durch – was einem Skandal recht nahe kommt. Dennoch wurden Sie schon mit vielfältigen Preisen für Ihr Engagement ausgezeichnet: so z.B. 1996 mit der Bundesverdienstmedaille – welche Sie allerdings, und auch das ist nur konsequent und folgerichtig, im Jahr 2000 zurückgaben, nachdem Sie erfuhren, dass der ehemalige NPD- und spätere CDU-Politiker Heinz Eckhoff, der zur Zeit des „Dritten Reichs“ Mitglied der SS war, ebenfalls mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt wurde; 1998 wurden Sie mit dem „Band für Mut und Verständigung“ der Initiative „Gemeinsam für Ausländer“ vom Amt der Ausländerbeauftragten des Senats von Berlin geehrt; 2006 mit dem Preis „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ der deutschen Bundesregierung, sowie 2015 mit dem Göttinger Friedenspreis. Und heute also mit dem „Ehrenpreis Heilpädagogik de BHP“.

Was Sie in den letzten Jahrzehnten geleistet haben ist aktuell, ist heute wichtiger denn je, denn Sie geben damit ein konsequentes und beredtes Zeugnis und Zeichen, dass ein engagierter Bürger, eine engagierte Bürgerin unserer Zivilgesellschaft ihr Engagement nicht nur darin erschöpft sehen darf alle vier die eigene Stimme in einer Urne zu beerdigen. Vielmehr ist ein tägliches Aufbegehren gegen Ignoranz und Menschenfeindlichkeit, gegen Fremdenhass, Rassismus und Antisemitismus, für eine konsequente Beachtung und Realisation der Menschenwürde, der Menschenrechte und des gemeinsamen Dialogs aller in der Gesellschaft nicht nur notwendig, sondern eine grundsätzliche bürgerliche Verpflichtung.

Sie bezeichnen sich selber als „Polit-Putze“ – dieser Begriff müsste eigentlich in den Rang eines Ehrentitels erhoben werden: Sie säubern die Gesellschaft vom hassschürenden Dreck rechtsradikaler Parolen und fremdenfeindlicher Propaganda. Sie klaren und klären hierdurch ganz handfest auf. Sie machen augenscheinlich deutlich, dass hinter jedem geschriebenen Wort eine Meinung steht und dass es manchmal nur ein klein wenig des Umdenkens bedarf, dass sich Botschaften und Bilder ändern lassen: Im Mai des letzten Jahres übersprühten Sie z.B. in einem Fußgängertunnel in Berlin Zehlendorf die – sicher rechtsradikal motivierte – Forderung „Merkel muss weg“ in „Merke! Hass weg“. Manchmal bedarf es nur einer kleinen – in diesem Fall semantischen – Veränderung, um Augenöffnend zu wirken.

Als wir uns zum ersten Mal, vor wenigen Wochen, über diese Ehrung unterhalten haben sagten Sie, das für Sie das Spannungsfeld: „Ehrung – Kriminalisierung“ wichtig sei: Sie wurden angezeigt (wegen Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und anderes mehr). Sie wurden beschimpft und angegriffen. Aber dennoch haben Sie sich hiervon nicht in Ihrem Engagement beirren lassen: die konsequente Zivilcourage, der Einsatz für die Menschen der „Randgesellschaft“ – welche durch rechtsradikale Aufkleber in ihrem Lebensrecht bedroht sind – steht weiterhin im Mittelpunkt Ihres Tuns. – Aber dieses Spannungsfeld zwischen „Kriminalisierung“ und „Ehrung“ mach auch deutlich, dass sich unsere Gesellschaft ganz offensichtlich noch nicht konsequent dazu entschieden hat eine humanistische, eine dialogische, eine menschenfreundliche Gesellschaft zu sein. Immer wieder nimmt sie auch Position ein für diejenigen, welche diese Menschenfreundlichkeit infrage stellen. Sie, liebe Frau Mensah-Schramm, halten dieser Gesellschaft, halten uns den Spiegel unserer Inkonsequenz hierin vor.

Sie machen uns, als Heilpädagoginnen und Heilpädagogen, hierdurch mehr als deutlich, dass wir weit über den Tellerrand unsere pädagogischen Tätigkeiten hinaus schauen, uns in die Unsicherheitszone politischen Handelns hineinbegeben und diese – trotz aller möglichen Widerstände und Anfeindungen – gestalten müssen.

Sie und Ihre Arbeit sind uns hierbei Vorbild und Mahnung zugleich: Vorbild, sich an Ihrer Zähigkeit, Ihrer Tapferkeit, Ihrem Mut und Ihrer Kreativität zu orientieren; Mahnung hierin nie nachzulassen und den rechtsradikalen, fremdenfeindlichen Tendenzen keinen Raum zu geben. – Weder in uns, noch in der Gesellschaft.

Sie, Frau Mensah-Schramm, leben durch ihre politische Tätigkeit die Forderung, dass Heilpädagogik immer auch – und ich würde sogar sagen und postulieren: in ihrem Kern – eine zutiefst politische Disziplin und Profession ist.

Schließen möchte ich mit einigen Zeilen aus dem Lied von Gerhard Schöne „Die couragierte Frau“ – er hat dieses Lied Ihnen zu Ehren verfasst:

„Hakenkreuze, Nazisprüche,
Juden-, Türken-, Negerflüche
wischt und kratzt und schrubbt sie gründlich weg.
Wird belächelt und beleidigt,
angegriffen. Sie beseitigt
unbeeindruckt weiter diesen Dreck.

Danke, Gott, es gibt auf Erden
Menschen, die zum Anstoß werden,
die mich zwingend fragen: Bleib ich lau?
Oder werd‘ ich endlich brennen,
mich mit Haut und Haar bekennen,
so wie diese couragierte Frau.“

Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich zur Verleihung des Ehrenpreises Heilpädagogik.

Berlin, am 26.11.2017
Prof. Dr. Heinrich Greving