Am 09. September stellte die Unterabteilungsleiterin aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), Frau Dr. Schmidt-Obkirchner, im Rahmen der Veranstaltung „Die inklusive Lösung“ beim Deutschen Institut für Urbanistik (DIFU) den aktuellen Stand des Reformvorhabens zur Erreichung einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe vor. Ein offizieller und autorisierter Gesetzesentwurf liegt zum aktuellen Zeitpunkt weiterhin nicht vor. Dennoch bleibt das Ziel bestehen, das Reformgesetz bis zum Sommer 2025 zu verabschieden. Im Rahmen der Veranstaltung wurden daher zentrale Eckpunkte des Reformvorhabens vorgestellt und kommentiert.
Zentraler Punkt des Vorhabens ist die Schaffung eines neuen sogenannten Dachleistungstatbestandes „Leistung zur Entwicklung, zur Erziehung und zur Teilhabe“. Unter diesem Dach werden sowohl erzieherische Bedarfe (Hilfen zur Erziehung) als auch teilhabeorientierte Bedarfe (Eingliederungshilfe) gebündelt. Damit wechseln Eingliederungshilfeleistungen für Kinder- und Jugendliche mit Behinderungen, die bisher im SGB IX verortet waren, in das SGB VIII. Die neu zu schaffenden Paragrafen 35 b) bis i) führen einzelne Anspruchsarten exemplarisch auf. Wie auch bei den Hilfen zur Erziehung handelt es sich bei dieser Aufzählung nicht um einen abgeschlossenen Katalog. Die Leistungskataloge der Eingliederungshilfe sind weiterhin offen. Die entsprechenden Anspruchsparagrafen sollen mit sogenannten „Auffangverweisen“ auf das SGB IX ausgestattet werden, um sicherzustellen, dass die Rechtsansprüche unvermindert weiter gelten.
Die skizzierte Überführung der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche in das SGB VIII soll ein besseres Ineinandergreifen von verschiedenen Hilfe- bzw. Leistungsarten ermöglichen. Zudem soll der Übergang von einem in das andere Leistungssystem mit der Beschulung von Kindern vermieden werden. Aktuell ist es häufig gängige Praxis, dass Kinder mit einer (drohenden) seelischen Beeinträchtigung mit Beschulung aus dem Leistungsbereich des SGB IX herausfallen und dann in den Leistungsbereich des SGB VIII hineinkommen. Ein solcher Zuständigkeitswechsel bringt oft eine längere Leistungsunterbrechung mit sich, die zu Lasten der Kinder und Familien geht.
Hinsichtlich der zuständigen Gerichtsbarkeit soll es so zukünftig so sein, dass bei Fällen der Eingliederungshilfe weiterhin die Sozialgerichtsbarkeit zuständig ist und bei Fällen der Hilfen zur Erziehung die Verwaltungsgerichte. Unklar ist noch, welche Gerichtsbarkeit zuständig ist, wenn beide Leistungen erbracht werden. Da es in den Ländern Nordrhein-Westfalen (Landschaftsverbände) und Bayern (Bezirke) überörtliche Träger der Eingliederungshilfe gibt, sollen diese Länder längere Fristen erhalten, um Leistungen der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche in das SGB VIII zu überführen. Wie lange diese Fristen sein werden, ist aktuell noch unklar.
Der BHP unterstützt das Vorhaben einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe. Wichtig ist dem BHP hierbei, alle aktuell im SGB IX verorteten Rechtsansprüche unvermindert in das SGB VIII zu überführen. Zudem unterstützt der BHP das Anliegen verschiedener Verbände, Leistungen zur Entwicklung im Rahmen der Gesetzesreform stärker zu normieren und damit ein breiteres Angebot von Leistungen herzustellen als bisher. Zudem fordert der BHP die Leistungen der Hilfen zur Erziehung stärker auf die Bedarfe von Familien mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen auszurichten.
Abschließend fordert der BHP eine Reformierung des Leistungserbringungsrechts im SGB VIII. Insbesondere ambulante Anbieter würden durch einen Wechsel in den Leistungsbereich des SGB VIII eine deutliche Schlechterstellung erfahren. Hier ist es notwendig am Leistungserbringungsrecht des SGB IX orientiert mit der jetzigen Reform entsprechende Änderungen und Ergänzungen im SGB VIII vorzunehmen.
Der BHP wird den weiteren Prozess der Gesetzgebung eng begleiten. Eine eigens dazu eingesetzte Arbeitsgruppe wird schriftlich Stellung nehmen, sobald ein autorisierter Gesetzesentwurf vorliegt. Auch bei der geplanten Verbändeanhörung werden wir uns einbringen. Wir werden Sie über den weiteren Fortgang des Verfahrens über die Medien des BHP informieren.