Ein Nachruf von Heinrich Greving

Wolfgang Köhn, Foto: KatHo-NRW

Am 23.01.2021 verstarb nach langer Erkrankung, aber dennoch plötzlich, unser lieber Kollege Wolfgang Köhn. Wolfgang war bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2009 Kollege der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen. Er begann seine heilpädagogische Tätigkeit in der Lehre wenige Jahre nach der Gründung des Studiengangs Heilpädagogik an der Abteilung Köln der damaligen Katholischen Fachhochschule im Jahr 1974. Hier übernahm er die Stelle eines sogenannten „lehrenden Heilpädagogen“.

Wolfgangs Anliegen war es immer HeilpädagogInnen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen darauf vorzubereiten, sowohl heilpädagogisch zu denken, als auch dieses Denken auf konkrete Handlungsweisen zu beziehen. So schrieb er schon auf den ersten Seiten seines grundlegenden Werkes zur Heilpädagogischen Erziehungshilfe und Entwicklungsförderung: „Das vorliegende Kompendium will in grundlegende heilpädagogische Denk- und Handlungsweisen einführen und diese zugleich zu einem anwendungsbezogenen Handlungskonzept verdichten.“ Ihm ging es somit darum, in allen Situationen pädagogischen Handelns Denkprozesse zu initiieren und diese auf konkrete Handlungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe auszurichten. Bis kurz vor seiner Pensionierung war er auch mindestens einmal in der Woche in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe tätig und hat so den Kontakt zur pädagogischen Basis nie verloren. Seine Veröffentlichung zur heilpädagogischen Erziehungshilfe und Entwicklungsförderung kann als einige der wenigen originären heilpädagogischen Konzepte bezeichnet werden, welche seit vielen Jahren in der Praxis der Kinder- und Jugendhilfe eingesetzt wird. Des Weiteren hat er sich auch intensiv mit der Spielentwicklung beschäftigt – worauf sich sein zweites Standardwerk zur heilpädagogische Begleitung im Spiel (welches das Konzept zur Erziehungshilfe und Entwicklungsförderung grandios ergänzt) bezieht.

Wolfgang Köhn war Zeit seines Lebens ein von allen KollegInnen geschätzter Heilpädagoge, welcher durch eine exorbitante Genauigkeit seiner Aussagen, aber gleichzeitig auch durch sein humorvolles und zugewandtes Leben dazu beitrug zu verdeutlichen wie eine gelebte Heilpädagogik gestaltet werden kann. Er war in vielerlei Hinsicht ein Vorbild für Generationen von Studierenden, aber auch für seine KollegInnen, da er durch seine eindrucksvolle und authentische Art und Weise Heilpädagogik dialogisch gestaltet und gelebt hat. Selbst wenige Wochen vor seinem Tod hat er noch in einer Organisation für Menschen mit Demenzerkrankungen Lieder auf der Gitarre begleitet und den dort wohnenden Menschen Geschichten vorgelesen. Wolfgang war ein zutiefst von der heilpädagogischen Idee der Beziehungsgestaltung durchdrungener Kollege, welcher dieses aber auch in vielfältiger Hinsicht im Bereich der politischen Bildungsarbeit umgesetzt hat. So war er kurz nach der Begründung des Fachbereichstages Heilpädagogik (FBT-HP) in diesem tätig und hat ebenfalls bis zu seiner Pensionierung an einer Ausgestaltung und kreativen Gestaltung der Studiengänge Heilpädagogik auf Bundesebene mitgewirkt. Auch hierbei war er ein geschätzter politisch denkender Heilpädagoge, dessen Ziel auch immer die profunde und konsequente Weiterentwicklung der Profession und Disziplin der Heilpädagogik war.

Auch in den Lehrveranstaltungen von Wolfgang Köhn erfuhren die Zuhörenden eine Einführung in und eine Gestaltung des heilpädagogischen Denkens, welches ausgespannt war zwischen Zuwendung und Dialog, zwischen Diagnostik und Planung – aber vor allem zwischen den unterschiedlichen Polen der menschlichen Begegnung. Man konnte sich im Kontakt und in der Beziehung zu Wolfgang immer sicher sein, dass es ihm in diesem Moment um den vor ihm stehenden und mit ihm lebenden Menschen ging. Er war als Mensch und als Heilpädagoge immer ganz da. Aufmerksam, dialogorientiert, zentriert auf das, was die gegebene Situation, das Antlitz des anderen in diesem Augenblick, erforderte. In einem seiner letzten theoretischen und methodologischen Beiträge hat er sich noch einmal grundsätzlich mit der Beziehung auseinandergesetzt. Diese war für ihn Grundlage und Ziel des heilpädagogischen Konzeptes zur Erziehungshilfe und Entwicklungsförderung. Es war für ihn aber auch das bedeutsame Fundament der Begleitung und der Beziehungsgestaltung des Menschen – und hier vor allem des Kindes. Für ihn war die Beziehung Grundlegung und Voraussetzung aller Pädagogik, allen Unterrichtes und aller Erziehung, welche unter erschwerten Bedingungen gestaltet werden kann und muss. Er selbst war der bezogene Heilpädagoge schlechthin – in einer umfassenden Wahrnehmung des anderen in Bezug auf dessen Denken, Fühlen und Handeln. Beziehung bedeutete für Wolfgang Köhn grundsätzlich Zuwendung und Aufmerksamkeit, Einfühlung und vor allem Zeit und Einsatz für den je anderen Menschen. Diese Zuwendung hat er all denjenigen zukommen lassen, mit denen er tätig war. Abschließen werde ich diese kurze Würdigung mit einem Wort von ihm selbst: „Bildlich gesprochen ist Beziehung ein Seil, dass an einer wackeligen, hölzernen Brücke über eine tiefe Schlucht führt.“ – Wolfgang ist vielen Menschen im Verlauf seines beruflichen und privaten Lebens ein solches Seil gewesen – und wird es in seinen Schriften auch weit über seinen Tod hinaus sein.

Prof. Dr. Heinrich Greving